Wie lernen Kinder? Wie lernen Kinder fühlen?
Spannende Fragen, für die die Neurowissenschaft immer mehr Antworten findet. 1990 wurde an der Universität in Parma eine der bedeutendsten Entdeckungen der Neurowissenschaft gemacht: die Entdeckung der Spiegelneurone. Der Säugling verfügt bereits nach der Geburt über ein Starterset an Spiegelneuronen. Sie sind ein neuronales Netzwerk im Gehirn, mit dem wir Menschen in Resonanz mit den Gefühlen und Stimmungen anderer Menschen treten. Für die Ausbildung eines stabilen Welt- und Selbstvertrauens ist die Aktivierung und Entwicklung dieses angeborenen Potenzials von entscheidender Bedeutung.
Der Säugling braucht eine Bindungsperson, die mit Liebe und Feinfühligkeit seine Signale spiegelt. Eltern imitieren die Gesichtsausdrücke des Säuglings meist intuitiv. Was sie dabei ganz automatisch machen: Sie spiegeln diese nicht nur eins zu eins, sondern ergänzen und erweitern sie zugleich. Dadurch erfährt ihr Kind, dass es erkannt wird und fühlt sich immer mehr verbunden mit den Personen, die es spiegeln. Körperlich werden dadurch Glückshormone frei, die zu seiner seelischen wie körperlichen Zufriedenheit führen.
Bereits mit zwei Monaten ist der Säugling bemüht, sich mit der Mutter gefühlsmäßig abzustimmen.
Mit drei Monaten entwickelt er ein Gefühl dafür, dass er mit seinen Zeichen eine Verhaltensänderung bei seinen Eltern auslösen kann. Er weiß nach und nach: Wenn er schreit, kommen seine Eltern und nehmen ihn tröstend in den Arm. Eine ganz wichtige Erkenntnis, um weiter sichere Bindung aufzubauen und die Gewissheit zu entwickeln, dass seine Eltern verlässlich sind.
Mit neun Monaten entwickelt sich die Objektpermanenz. Das Baby weiß nun, dass eine Bezugsperson oder ein Gegenstand noch existiert, auch wenn er nicht mehr sichtbar ist. Dies ist auch der Beginn der Abspeicherung von Worten.
Bereits mit zwölf bis vierzehn Monaten kann das Baby Ziele und Absichten von Handlungen verstehen, die es täglich beobachtet. Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass Eltern Rituale fest in den Alltag mit dem Baby einbauen. Es weiß sehr schnell, dass es immer dann, wenn seine Eltern ihm den Schlafanzug anziehen und ein Gute-Nacht-Lied singen, im Anschluss in sein Bett gelegt wird. Rituale sortieren den Alltag, machen den Tag greifbar und überschaubar für das Kind. Ein Bild seiner Welt entwickelt das Kind über ein Sammeln von Handlungen, die eine Interaktion, ein Handeln und Fühlen beinhalten. Je mehr es versteht, was mit ihm tagtäglich passiert, desto leichter kann es ein stabiles Bild der Welt entwickeln.
Erst langsam zwischen dem zwölften und achtzehnten Lebensmonat entdeckt das Kind, dass es eine eigenständige Person ist, losgelöst von seinen Eltern. Die Entdeckung des eigenen Selbst zeigt ihren Höhepunkt mit dem Beginn der Trotzphase, um das zweite Lebensjahr. Das Spiegeln des Kindes ist auch dann nach wie vor von großer Bedeutung und kann auch von anderen Bezugspersonen übernommen werden.
Das größte Übungsfeld des Kindes ist das kindliche Spiel. Hier kann es in verschiedene Rollen schlüpfen, unterschiedliche Gefühle wahrnehmen und Handlungen ausprobieren. Es ist wichtig, dass es Bezugspersonen hat, die ihm helfen, die Welt des kindlichen Spiels zu entdecken.
Das Kind benötigt immer echte Bezugspersonen, die mit ihm in Interaktion gehen, um die Körperhaltung, Mimik, Blickbewegungen und Körperhaltungen abzuspeichern. Personen im Fernsehen oder andere mediale Spielfiguren können dies nicht leisten. Das hätte zur Folge, dass die Kinder in ihrem Verhalten und der Körpersprache Entwicklungsverzögerungen zeigen.
In den ersten Lebensjahren orientieren sich die Kinder an der Bewertung von Situationen an ihren Eltern, sogar auch bei den eigenen Befindlichkeiten.
Verlässliche Personen und eine gewaltfreie Erziehung bieten dem Kind eine optimale individuelle Umwelt.
Empathie erwerben Kinder zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr. Voraussetzung dafür, sich in andere hineinzufühlen, ist, dass zuvor die eigenen Gefühle und Handlungen gespiegelt wurden. Dieses Einfühlungsvermögen ist sehr bedeutend, da damit die intellektuelle Erkenntnis verbunden ist, dass andere nicht unbedingt das Gleiche sehen.
Das emotionale Spiel ist genauso bedeutend wie Sport und Bewegung für die körperliche Entwicklung.
Sprache kann sich nur über die zwischenmenschlichen Beziehungen entwickeln, die Handlungen und Interaktionen bedeuten. Sie ist keine abstrakte Ansammlung von Worten. Gekoppelt mit der Sprache ist auch immer die Wahrnehmung über die eigenen Gefühle und die des Gegenübers. Ich bin ich, nicht nur weil ich fühle, sondern weil ich von Anbeginn Rückmeldungen über mein Verhalten, Aktionen, Reaktionen und Gefühle bekomme.
Erst die Spiegelung eines Erwachsenen macht es möglich, dass sich mein Kind nach und nach erkennen, kennen und zu sich selbst finden kann.