Die Sache mit dem „Wegnehmen“ und dem „Entschuldigen“

Die Sache mit dem „Wegnehmen“ und dem „Entschuldigen“

Kaum können sich die Babys fortbewegen, dann fängt es auch schon an: das „Wegnehmen“. Gerade in meinen PEKiP Gruppen kann man dies sehr gut beobachten.

Aber ist dies ein „Wegnehmen“?

Das Wort „Wegnehmen“ ist in unserem Sprachgebrauch sehr negativ besetzt.

Ich biete den Eltern in meinen Kursen immer folgende Erklärung an.

Die Erwachsenen entscheiden, mit welchen Worten sie ihr Kind begleiten. Sobald sich die Babys krabbelnd fortbewegen, entdecken sie ihr Umfeld. Zu diesem Umfeld gehören auch andere Babys und gerade die Spielsachen, die sich in den Händen der anderen befinden. Das Spielzeug meines Gegenübers ist doch viel reizvoller, weil es sich bewegt und vielleicht auch durch das Spiel Geräusche produziert.

In diesem Alter würde ich nicht von einem „Wegnehmen“ sprechen. Vielmehr drückt das Baby aus: „Ich habe Interesse daran und möchte es auch haben.“

Welche Möglichkeiten haben Kleinkinder, die der Sprache noch nicht mächtig sind, das interessante Spielzeug des anderen zu erhalten? Eigentlich keine.

Seien Sie Vorbild als Eltern. Begleiten Sie das Spielverhalten mit ehrlichen Worten, wie z.B. : „Ich sehe, du möchtest auch mit der bunten Rassel vom Tim spielen.  Jetzt weint Tim, weil du sie genommen hast. Wir geben die Rassel an Tim zurück und holen dir ein anderes Spielzeug.“

Beobachten Sie die Spielsituation genau, meine Erfahrungen zeigen, dass ein Eingreifen von Erwachsenen oft gar nicht nötig ist.

Holt sich das Kind das Spielzeug aus der Hand eines anderen Kindes, schaut sich dieses meistens um und entscheidet sich einfach für ein anderes Spielzeug. Selten fangen die Kinder an zu weinen, sondern entscheiden sich für ein neues Spiel oder reichen sich das Spielzeug hin und her.

Oft lösen die Kinder diese Situationen von ganz allein und ein Eingreifen von Seiten der Eltern ist nicht nötig.

Warten Sie ab, beobachten Sie und begleiten Sie dann die Situation mit ehrlichen Worten.

Zusätzlich stellt sich die Frage, ob das Kind überhaupt schon ein Bewusstsein für „mein und dein“ hat.

Die Antwort lautet eindeutig: „Nein.“

Das Kind weiß erst um das zweite Lebensjahr, dass es eine eigenständige Person ist und drückt dies mit dem Wort „ich“ aus. Häufig beginnt jetzt die Zeit, in der das Kind glaubt, alles gehöre ihm und es bestimme und regiere die Welt. Worte wie „mein“ oder „allein“ werden zum Lieblingswort in diesem Alter und bevor das Kind ein Gefühl für das Teilen bekommen kann, muss erst einmal alles ihm gehören.

Erst um das dritte Lebensjahr entwickeln sich langsam Gefühle wie Schuld, Scham, aber auch Stolz.

Damit das Kind überhaupt einschätzen kann, dass es einem anderen etwas genommen hat, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen muss das Kind verstehen, dass auch andere „mein“ zu ihren Sachen sagen. Sie müssen erst einmal ein Verständnis von Besitz und Eigentum entwickeln. Es gibt Gegenstände, die nur einer Person gehören und diese muss man ihnen lassen, außer sie geben diese freiwillig her. Zum anderen ist das Schuldgefühl die Voraussetzung dafür, dass die Kinder überhaupt merken, dass sie beim Wegnehmen von Sachen Grenzen überschreiten und andere Menschen verletzen.

Erst mit diesen beiden Voraussetzungen ist das Kind in der Lage, sich ehrlich und aufrichtig beim Gegenüber zu entschuldigen.

Beobachtet man Kinder beim Spielen, fallen einem manchmal Kinder auf, die ein anderes Kind schubsen oder hauen und im Anschluss sofort das Wort „Entschuldigung“ rufen.

Eltern haben nicht nur die Aufgabe, ihren Kindern dieses Wort beizubringen, sondern ihren Kindern Entschuldigung als eine Haltung zu vermitteln.

Ich entschuldige mich bei meinem Freund, weil es mir leidtut, dass ich ihn geschubst habe. Es ist eine demütige Haltung und ich bitte mit dem Wort um Verzeihung.

Drängen Sie Ihr Kind nicht dazu, das Wort Entschuldigung sofort zu benutzen. Bringen Sie ihm bei, was dieses Wort bedeutet. Es ist eine Wiedergutmachung von meinem vorausgegangenen Fehlverhalten.

Eine Entschuldigung kann auch ausgedrückt werden, indem ich meinen Freund z.B. umarme, ihn streichle oder lieb ansehe. Eine Wiedergutmachung zeigt sich, indem ich den umgeworfenen Turm wiederaufbaue, indem ich das Dreirad wieder zurückgebe oder meinem Freund einen Kühlpack bringe.

All diese Beispiele spiegeln eine Haltung wider. Bei dem Wort Entschuldigung geht es genau darum, um diese Haltung.

Konflikte werden von Kindern am besten gelöst, wenn sie Sprache gezielt einsetzen können. Dies ist nicht immer einfach. Ein Kind, das in die Kindertagesstätte kommt, benötigt anfangs häufig auch sprachliche Hilfe im Umgang mit anderen Kindern.

Besprechen Sie Situationen im Vorfeld mit Ihrem Kind. Bringen Sie ihm kurze Redewendungen bei, um sich auszudrücken und in Notsituationen zu helfen, wie z.B.:

  • Möchtest du mit deinem Freund auf dem Bauteppich spielen, dann fragst du ihn: Darf ich mitspielen?
  • Möchtest du das Dreirad von deiner Freundin, dann fragst du: Darf ich das Dreirad haben?
  • Kommt ein Kind und will dir etwas wegnehmen, dann antwortest du ganz laut: Nein, damit spiele ich!
  • Will dir ein Kind wehtun dann rufst du ganz laut: Nein, lass mich in Ruhe!

Lassen Sie Ihr Kind nicht allein, viele Situationen muss es im Zusammensein mit anderen Kindern meistern. Üben Sie diese Situationen ein und bleiben Sie in Kontakt mit der Erzieherin, um zu erfahren, in welchen Bereichen Ihr Kind noch Hilfe braucht.