Vor ein paar Tagen sah ich das Jugenddrama „Play“ im Fernsehen. Der Film faszinierte mich, da er mir eine Welt zeigte, die mir nicht vertraut ist. Ich konnte jedoch nachfühlen, wie faszinierend und spannend es sein muss, in diese andere Welt abzutauchen.
Bei Jenni, der Protagonistin des Films, entwickelt sich dieses Abtauchen zu einer Sucht. 4 Prozent der 14 bis 16jährigen sind spielsüchtig.
In dem Film werden viele Klischees bedient, die durchaus für mich passend waren und ich möchte ein paar näher erläutern.
Die siebzehnjährige Jenni ist gerade mit ihrer Familie in eine neue Stadt gezogen. Feste Freundschaften konnte sie in der Schule noch nicht aufbauen, sie steckt mitten in der Pubertät, ihr eigener Körper fühlt sich noch fremd an. Sie findet sich hässlich, alle anderen schön und versucht durch joggen immer wieder etwas Kontakt zu ihrem Körper aufzubauen.
Freundschaften sind ein wichtiger Barometer, der Eltern Hinweise gibt, ob etwas nicht stimmt und sie genauer hinsehen sollten.
Gerade in der Pubertät orientieren sich die Kinder an einer Gruppe. Identitätsfragen und andere große Themen der Selbstfindung werden mit dieser ausgehandelt. Aber was, wenn da niemand ist?
Kinder, die mehr Zeit in ihrem Zimmer allein verbringen, als mit Freunden, sind potenziell gefährdet. Eltern haben die Pflicht, hinzuschauen und vor allem hinzuhören.
Mit dem Nicht-Hinhören wurde das nächste Klischee bedient. Die Familie war aus beruflichen Gründen des Vaters umgezogen, da dieser jetzt einen Karrieresprung gemacht hatte. Sein häufigster Satz im Film war „Ich habe viel Stress – Ich habe wenig Zeit“.
Kinder in der Pubertät sind natürlich schon groß und benötigen keine Rundumbetreuung mehr. Die Berufstätigkeit beider Eltern entspricht vielen Familienbildern. Im Film hat die Mutter ihr Hobby langsam zum Beruf ausgebaut und sich selbst verwirklichen können.
Der Jugendliche will nicht viel Zeit mit den Eltern verbringen, um Gottes Willen. Aber welche Signale kommen bei meinem Gegenüber an, wenn er immer hört: Stress, keine Zeit. Diese Worte können keine Basis bilden, um dem Jugendlichen ein Interesse zu signalisieren. Im Film sind die häufigsten Fragen des Vaters „Wie war es in der Schule?“ und „Hast du eine Arbeit geschrieben oder zurückbekommen?“ Der Film bediente entsprechend auch das Bild des rein leistungsorientierten Vaters, der mit seinem Kind nur auf dieser Ebene kommunizieren kann.
Echtes Interesse am Kind hört und sieht anders aus! Liebe Eltern, beobachten Sie sich und sammeln Sie einmal für eine Woche Ihre Fragen, die Sie Ihrem Kind stellen!
Interesse am Kind beinhaltet andere Fragen. Fragen Sie doch einmal „Warst du heute glücklich?“ – „Hast du heute gelacht?“ – „Musstest du dich heute ärgern?“ – „Hattest du einen schönen Tag?“ – „Brauchst du meine Hilfe?“ – „Du siehst heute ganz toll aus!“
Echtes Interesse bedeutet Interesse am Kind, an seiner Person. Es bedeutet nicht, dieses bloß über seine Leistung wahrzunehmen und es ausschließlich für diese zu loben oder zu kritisieren. Ein Teufelskreis, den Eltern durchbrechen müssen.
Im Film sagt Jenni, dass Sie abtauchen wollte in etwas Schönes und verschwinden. In der virtuellen Welt kann sie stark, schön, begehrt, mutig, unerschrocken und vieles mehr sein. Eine große Versuchung, die da lockt.
Wieviel Anerkennung bekomme ich in meinem Leben? Werden Sie täglich gelobt, bekommen Sie die Anerkennung auf der Arbeit, die Sie sich wünschen? Fühlen Sie sich stark, schön oder mutig?
Auch Erwachsene können nicht alle Fragen mit „Ja“ beantworten. Jeder Tag fühlt sich für uns anders an. Mal fühle ich mich stark und weiß, nichts bringt mich heute aus dem Konzept, an anderen Tagen spielen andere Gefühle eine größere Rolle.
Jugendliche, die immer noch in der Ichfindung sind, benötigen umso mehr diese Bestätigung. Wir sind erwachsen und können uns sagen, heute bin ich nicht so stark, aber das macht nichts, morgen mache ich Sport und dann wird es mir wieder besser gehen.
Es sind Gefühle, die uns leiten und lenken. Wie soll der Jugendlich überleben, wenn er keine Bestätigung im Elternhaus bekommt? Er muss sich diese woanders suchen, da kein Mensch ohne Anerkennung leben kann. Der eine sucht sich diese im Internet, der andere über Hobbies, bei den Freunden usw. Diese Bestätigung in anderen Bereichen zu suchen ist überlebenswichtig, gefährlich wird es nur, wenn diese zur Sucht wird.
Wir nehmen uns alle über Gefühle wahr, es ist jedoch sehr schwierig, diese zu benennen. Leben Sie Ihrem Kind einen gesunden Umgang mit Gefühlen vor. Benennen Sie einfach öfters Ihre Gefühle und teilen Sie sich Ihrem Kind mit. Der Satz „Ich war heute bei der Arbeit!“ kann auch abgeändert werden in z. B. „Ich habe mich heute so sehr gefreut, dass mein Projekt endlich abgeschlossen ist!“ – „Ich habe mich total über meinen Kollegen geärgert, weil . . .“ – „Ich hatte heute überhaupt keine Lust zu arbeiten, ich bin froh jetzt zu Hause zu sein.“
Abtauchen in eine andere Welt bedeutet: Hier ist niemand, der ständig an mir herummeckert, der Druck ausübt, der mich auf Pflichten hinweist, der mir signalisiert, ich habe kein Interesse an dir.
Gerade das Träumen und Flüchten in eine andere Welt gehört zu der Zeit der Pubertät dazu. Die erste Liebe, die ich mir im Kopf in tollen Bildern ausmale, die erste Party, bei der alle nach mir schauen, usw.
Diese Träume dürfen sein, sie bereiten auf das Leben vor und müssen von den Eltern akzeptiert werden.
Das Spielen übt eine magische Anziehungskraft auf Jenni aus. Hier kann sie sich steigern und messen. Sie arbeitet sich von Level zu Level, das Belohnungssystem wird aufgrund dieser Erfolge aktiviert und der Reiz weiterzuspielen, einfach die Zeit zu verlieren, ist magisch.
Pubertierende sind abenteuerlustig, wollen sich ausprobieren, an ihre Grenzen kommen, neues kennenlernen. Spielen kann diese Bedürfnisse befriedigen, es gilt daher, den Jugendlichen alternative Möglichkeiten aufzuzeigen, sie abzuholen.
Welche dieser Bedürfnisse fördern Sie als Eltern? Nehmen Sie Ihr Kind ernst, nehmen Sie wahr, welche Interessen und Bedürfnisse es hat und überlegen Sie gemeinsam, wie diese umgesetzt werden können.
Im Film wachen die Eltern erst auf, als die Schule Alarm schlägt. Im ersten Gespräch verteidigen die Eltern ihre Tochter bzw. spielen das Problem herunter, da sie selbst bisher nicht richtig hingesehen haben. Sie beginnen sofort über ihre Tochter zu sprechen, obwohl sie zwischen ihnen sitzt. Anstatt Fragen zu stellen, einzugestehen, wie betroffen die Aussagen der Lehrerin sie machen, welche Ängste das in ihnen auslöst, wird das Problem heruntergespielt, Besserung versprochen und harte Regeln werden zu Hause eingeführt. Wieder wird nicht hingesehen.
Die Eltern sehen nicht, was sich für Wünsche und Bedürfnisse hinter den Handlungen Jennis verstecken: „Ich fühle mich einsam, ich möchte gesehen werden und ich möchte mich lieben lernen.“
Die Antwort der Eltern sind strenge Regeln und Strafen.
Jenni bleibt nichts anderes übrig, als sich weiter in die Sucht zu flüchten, diese zu befriedigen und für diesen Zweck Lücken zu suchen, wie sie die Regeln durchbrechen kann.
Liebe Eltern, schauen Sie hin, was ihr Kind spielt, was es im Internet macht, lassen Sie sich alles von Ihrem Kind erklären und vor allem: Zeigen Sie echtes Interesse an Ihrem Kind!