Immer wieder fragen mich Eltern besorgt, ob ihr Kind mit füneinhalb Jahren in eine neue Trotzphase gekommen ist, oder warum diese erneute Wut und Zorn im Kind herausbricht.
Die Entwicklung zum schulreifen Kind im sechsten Lebensjahr geht einher mit der Entstehung vieler neuer neuronaler Verknüpfungen im Gehirn.
Das Kind lernt theoretisches Wissen mit eigenen Erfahrungen zu verknüpfen, lernt vorausschauend und rückblickend zu denken und bekommt eine innere Stimme.
Dies sind nur ein paar Entwicklungsschritte, die verdeutlichen sollen, welch komplexe Umstrukturierung in dieser Zeit stattfindet.
In der Kindertagesstätte gehört das Kind jetzt zu den Großen, zu den Vorschulkindern und erste verantwortliche Aufgaben werden mit diesem Alter verbunden.
Das Kind merkt, dass da etwas Großes, Neues, aber auch Ungewisses auf es zukommt.
Aussagen und Fragen von Eltern, Nachbarn oder auch Verwandten lauten wie folgt: „Jetzt kommst du bald in die Schule!“ – „Hast du dir schon einen Schulranzen ausgesucht?“ – „Freust du dich auf die Schule?“ – „Kennst du bereits deine Lehrerin?“ – „In der Schule lernst du schreiben, rechnen und lesen!“ – „In der Schule bekommst du Hausaufgaben auf!“- „In der Schule musst du gut aufpassen!“ – „Du musst fleißig sein, damit aus dir was wird!“
Diese Liste lässt sich noch unendlich fortsetzen.
Auf alle diese Fragen kann das Kind nicht antworten. Es spürt nur das große Neue, hört die Erwartungen, die eigenen Erfahrungen der Eltern und kann diese Situation nicht greifen.
Die Gefühle fahren Achterbahn und stürzen das Kind ins Chaos.
Das Neue macht Angst und es würde sich am liebsten in den Schoß der Eltern verkriechen, um Kraft, Sicherheit und Liebe zu tanken. Das Neue macht aber auch wütend und zornig und die Gefühle können in kurzen Abständen wechseln.
Tätigkeiten der Selbstständigkeit, die das Kind vorher mit Leichtigkeit ausgeführt hat, werden auf Bitten verneint und enden in Heulattacken.
Eltern verstehen zurecht die Welt nicht mehr und wissen nicht, warum das Kind die einfachsten Dinge nicht mehr allein bewältigen kann.
Geduld, Verständnis und Liebe sind jetzt die wichtigsten Eigenschaften der Eltern. Druck, Zwang, Strafen und Vorhaltungen führen weder zur Einsicht noch zum Ziel.
Zeigen Sie Verständnis für Ihr Kind. Benennen Sie die schwierige, neue Situation und bleiben Sie entspannt, indem Sie auch für das Kind wieder banale Dinge erledigen.
Aussagen wie z.B.: „Jetzt wurdest du wieder so wütend. Im Moment ist alles schwierig und ich sehe du fühlst dich gar nicht wohl. Wollen wir erst einmal eine Runde kuscheln?“, helfen jetzt weiter.
Erzählen Sie nicht so viel von Schule. Schule ist erst greifbar für das Kind, wenn es sie selbst erfahren kann.
Auch wir wären aufgeregt, wenn ein Wechsel des Arbeitsplatzes anstehen würde. Fragen, die den neuen Arbeitsplatz betreffen, könnten wir auch erst ab Arbeitsbeginn beantworten.